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Brücken schlagen

Wie die Casterin Daniela Tolkien und die Schauspielagentin Andrea Lambsdorff
Schauspieler und Regisseure zusammenbringen

„Casting ist ein bisschen wie ein Kunstwerk malen. Die Materialien und Farben müssen stimmen.”

Interview mit Daniela Tolkien und Andrea Lambsdorff

Es muss passen, die Chemie muss stimmen und die Gegensätze sollen miteinander harmonieren. Die richtige Besetzung eines Films zu finden, braucht nicht nur Erfahrung und einen wachsamen Blick, sondern auch große Vorstellungskraft: Oft ist es ja gerade die unerwartete Kombination von schauspielerischen Temperamenten, die funktioniert. Zwei, bei denen die Chemie stimmt und die gern jenseits der Schubläden und Konventionen denken, sind die Casterin Daniela Tolkien und die Agentin Andrea Lambsdorff. Gemeinsam kamen sie auf die ausgefallene Idee, Mina Tander als Vollblut-Italienerin und Partnerin von Christian Ulmen in MARIA, IHM SCHMECKT'S NICHT zu besetzen.

Die Szene
Sarah, ihr Bräutigam Jan und Sarahs Eltern fahren gemeinsam zur Verwandtschaft nach Italien, um das neue Familienmitglied vorzustellen. Sie werden freudig begrüßt und bekommen tellerweise Miesmuscheln serviert. Jan hat eine Meeresfrüchteallergie, möchte aber nicht unhöflich sein und die Muscheln ablehnen. So muss er verschiedene Tricks anwenden, die Muscheln loszuwerden.

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Könnt Ihr bitte kurz die Szene, die wir ausgewählt haben, beschreiben und in die Handlung einordnen. Wie verhält sich diese Szene zum Kontext dieses Films?

Tolkien: Also in dieser Szene kommen Christian Ulmen und Mina Tander als frisch verlobtes Paar, was in Italien heiraten möchte, in dieses kleine Dorf in Süditalien. Und Christian Ulmen als Urdeutscher ist konfrontiert nicht nur mit der italienischen Familie seiner Verlobten, sondern vor allem auch damit, dass sie sich plötzlich total verändert. Also dass sie plötzlich auch eine Italienerin ist und gar nicht mehr die deutsche Verlobte, die zwar einen italienischen Vater hat, aber die sich bisher doch sehr assimiliert deutsch verhalten hat. Und ich glaube, das ist das Lustige in dieser Grundsituation, dass ihm seine Frau so fremd wird.

Lambsdorff: Sie werden sich gegenseitig fremd würde ich sagen.

T.: Gegenseitig, ja. Also dass er zum Extremdeutschen mutiert und sie eigentlich zur Italienerin wird.

L.: Jeder wird auf seine spezielle Art plötzlich spießig und auf beiden Seiten herrscht eine große Überraschung darüber. Darin liegt auch die Komik des Films.

Wir haben die Szene ausgewählt, weil sie eine Besonderheit dieses Films zeigt, nämlich diese Mischung, diesen deutsch-italienischen Cast. Was war für Euch die Besonderheit dieses Films beim Casting?

L.: Naja, in erster Linie mal das Pendant zu Christian Ulmen, den Deutschen, zu finden. Was dann ziemlich schnell klar war, dass das Mina Tander sein könnte. Obwohl sie keine Italienerin ist! Aber  von ihrer Mischung, die sie so mit sich bringt, geht sie in eine Richtung, wo wir uns vorstellen konnten, dass sie eine Italienerin spielt und was man dann unter Beweis stellen konnte. Was wir bei uns in der Agentur schon vor vielen Jahren gemacht haben ist, dass wir Interviews mit unseren Schauspielern gemacht haben in den verschiedenen Sprachen, die sie können. Und Mina hat in dem Fall halt lange in Italien gelebt und man konnte das wirklich unter Beweis stellen. Und das war auch, glaube ich, was am Ende für Daniela sehr leicht war, zu sagen: ‚Hier, schau, sie kann wirklich Italienisch.‘ Und sie mutiert auch zu einer Italienerin.

T.: Ja, das war tatsächlich so, dass sie eigentlich unsere erste Wahl war. Und dann schon die Frage aufkam, ja, aber sie ist ja jetzt auch keine Italienerin und ist sie denn wirklich lebendig genug? Und irgendwie ist sie immer so sanft und eher nicht so temperamentvoll. Und das war dann wirklich super, das muss man wirklich sagen, als gute Zusammenarbeit kann man das wirklich erwähnen: Dass ich die Möglichkeit hatte, auf der Seite oder auf der DVD von der Schauspielerin etwas direkt zu finden, was ich nutzen konnte, um den Produzenten zu sagen: ‚Hier, da habt Ihr das und da seht Ihr das!‘ Und dann bekam ich direkt den Anruf: ‚Ja, das stimmt. Die ist ja ganz toll und da ist sie ja ganz anders. Die ist es.‘ Das war dann so der entscheidende Punkt, wo es dann geklappt hat.

L.: Das ist ja eh die Erfahrung. Als ich damit angefangen habe vor – ich weiß es gar nicht mehr, vor acht, neun Jahren – dass ich eben mit den Schauspielern diese Interviews gemacht habe. Es ist immer wieder faszinierend zu sehen, in den jeweiligen Sprachen, in denen sie dann sprechen, welche Veränderungen dann noch zusätzlich stattfinden. Die sind dann wirklich Italiener oder Spanier oder Franzosen. Das war dann eben auch in Minas Fall sehr hilfreich.

Was ich ganz spannende finde und was diese Szene dann auch zeigt ist, dass es eine Staffelung in der Besetzung gibt. Es gibt die Hauptrollen, die drei, würde ich mal sagen, mit dem Vater. Und es gibt das Ensemble drumherum. Deswegen, Daniela, würde ich gern wissen, wie das Casting so gelaufen ist, wie mischt man so ein Ensemble?

T.: In dem Fall gab es auch eine italienische Casterin. Ich habe nur den deutschen Teil aktiv gemacht. Das heißt, ich habe die deutschen Schauspieler vorgeschlagen und gecasted. Und die italienischen Vorschläge kamen von einer italienischen Casterin, die ich bin mit der Regisseurin Neele Vollmar durchgegangen bin. Wir haben alles angeschaut, was sie vorgeschlagen hat, und haben das dann zusammengestellt. Es sind ja zum Teil sehr populäre Schauspieler in Italien. Die spielen im Film dann irgendwie ein Onkel, den man nur ein paar mal sieht, aber in Italien sind das richtige Stars! Und zum Beispiel der Hauptdarsteller, der Lino Banfi, der den Vater spielt, der ist…

L.: Das musste abgesperrt werden!

T.: Ja! Er ist Gott in Italien! Die Fans sind wirklich mit ihren Kindern in das süditalienischen Dorf gekommen und haben gesagt: ‚Bitte berühre und einmal!‘ Das war wie der Segen des Papstes oder so. Und wir kennen den hier in Deutschland gar nicht. Das fand ich zum Beispiel sehr spannend bei dieser Arbeit oder grundsätzlich bei Koproduktionen, dass man einen Einblick bekommt in die Schauspielwelt eines Nachbarlandes. Eigentlich denkt man ja man kennt sich hier in Europa. Aber sogar mit Österreich ist das so. Die Österreicher haben Stars, die jeder kennt in Österreich, und wir haben die noch nie gesehen. Sogar in deutschsprachigen Nachbarländern ist das so verschieden. Und in diesem Fall musste ich nicht darauf achten, dass die Nebenrollen zu bekannt besetzt waren – das ist ja oft bei Castings so, dass man das genau abwägen muss. Dass man sagen muss: Okay, wenn dieser Schauspieler diese kleine Rolle spielt, also auch spielen würde, und aber alle nur sagen würden ‚Ah, den kenn ich!‘, dann haut das die Geschichte auseinander. Und das war jetzt bei dieser deutsch-italienischen Koproduktion nicht das Problem, weil wir in Deutschland die eh nicht kennen. Da konnten wir wirklich total auf Typ besetzen. Und es war jetzt auch nicht so, dass man sagen kann, ja, die Deutschen kann man sich vorstellen, wie das entstanden ist. Also auch Christian Ulmen stand keineswegs fest von Anfang an. Wir haben dann ein Casting gemacht mit Christian Ulmen und Mina Tander. Und das war wie magisch. Das war eigentlich so, wo ich gesagt habe: ‚Die sind es eigentlich. Das ist es einfach!‘ Und dann gibt es aber immer dieses: ‚Ja, aber das ja jetzt nicht wahr sein, kann ja jetzt nicht sein, dass wir beim ersten Mal schon die richtige Besetzung haben!‘ Also müssen wir nochmal 20 Frauen und 20 Männer casten – was wir auch gemacht haben. Also wir haben trotzdem viel weiter gesucht, um dann am Schluss zu sagen: ‚Mensch, die sind es doch!’

L.: Das ist manchmal so schade, dass man da so insgesamt wenig seinem Bauch vertraut, – weil diese ‚magic moments‘, die spürt man ja eigentlich. Das ist immer wieder dann so: ,Nee, das kann es jetzt nicht sein, beim ersten Mal kann es nicht sein.’ ,Doch, es kann sein!’ Es ist eigentlich immer wieder schade, aber gut.

Daniela Du hast eben gesagt, dass Ihr „Typen“ besetzt habt, das fand ich interessant. Denn es gibt im Cast deutliche Gegensätze. Z.B. der italienische Vater hat ein rundes Gesicht und der deutsche Vater hat ein längliches. Das passt unheimlich gut, weil sie unterschiedlich sind! Ist so etwas auch eine Überlegung oder geht man da erstmal nur von der Rolle aus, die man jeweils besetzt?

T.: Natürlich geht man von der Rolle aus, aber ja auch der Typ spielt eine Rolle. Das ist wie ein Kunstwerk malen. Also man nimmt die Farben oder man entscheidet sich für ein Material oder sowas und dann muss das ja passen. Und wenn ich da so eine ganz dunkle, kleine, zarte Frau habe, dann überlege ich natürlich schon, was ist das schöne Bild dazu? Also was sieht dann passend aus und stimmig? Also das ist schon auch ein Kriterium. Natürlich, klar. Wenn ich schon zwei Männer ohne Haare habe oder so, dann gucke ich natürlich, dass der dritte nicht auch so ausschaut. Damit ich nicht, damit die Leute auch nicht verwirrt sind oder das irgendwie nicht zusammenpasst.

L.: Ich fand ja auch, dass es Euch bei dem Film extrem gut gelungen ist – was man nicht so oft hat. Und ich fand, das war wirklich hervorragend besetzt. Weil ja auch die Geschichte der Eltern von Sara erzählt wurde, als sie jung waren. Und man konnte sich gut vorstellen, dass Frau Kroymann damals eben so ausgesehen hat. Also ich fand das grandios und glaubwürdig.

Auf welcher Basis machst Du als Agentin einen Vorschlag für eine Rolle? Auf der des Drehbuchs? Welche Faktoren sind da wichtig, dass man zusammen ins Gespräch kommt?

L.: Also die Grundbasis ist – und ehrlicher Weise dauert das sehr, sehr lange – dass der Caster Vertrauen in Dich hat. Das heißt also, der Caster muss zum einen das Gefühl haben, dass ich nicht um jeden Preis einen meiner Schauspieler verkaufen will. Wenn ich überhaupt in die Situation komme, es vorschlagen zu dürfen! Das hast du ja auch nicht immer. Du kriegst manchmal auch ganz klare Anfragen. Aber wenn ich ein Buch bekomme oder wenn man sagt ‚Was denkst du? Kann man da über den Schauspieler/die Schauspielerin nachdenken?‘, dann ist die Grundbasis erstmal Vertrauen und dass man sich da gegenseitig kennt von dem Caster zu mir oder zum Agenten. Und vom Agenten zum Caster, dass du sagst, dem kannst du auch wirklich etwas vorschlagen, ohne dass er sich in seinem eigenen Job irgendwie – wie sagt man? – gegängelt fühlt. Sondern wirklich sagt, da habe ich ein Gegenüber und ich weiß, die hat sich genauso darüber Gedanken gemacht oder er darüber Gedanken gemacht wie ich auch. Wenn ich bedenke, wann ich angefangen habe und wie lange es eigentlich gedauert hat, bis ich so etwas mal sagen konnte und dass man das auch so angenommen hat, das hat schon eine Weile gedauert. Das verstehe ich auch. Weil es gibt auch sicherlich ein paar Agenten, die einfach sagen: ‚Egal, ich will jetzt einfach diesen Schauspieler unter die Haube bringen.‘ Weil er mir andauernd im Ohr liegt: ‚Ich möchte endlich arbeiten!‘ Es gibt ja so viele Motivationen. Für mich ist es wahnsinnig wichtig, dass die Rolle optimal besetzt wird. Und ich sage dann auch gerne mal: ‚Nee tut mir leid, aber das kann ich mir mit meinem Schauspieler nicht vorstellen.‘ Passiert nicht so oft, aber es passiert. Das hat etwas mit Vertrauen zu tun. Ich denke, da muss man einfach wissen, dass man da wirklich miteinander kommunizieren kann und manchmal kommt sogar etwas Drittes dabei raus.

Welche Verantwortung trägt man als Agent, dass sich die Karriere des Schauspielers entwickelt? Was empfehle ich und was nicht? Was hat die Rolle z.B. für die Karriere von Mina Tander bedeutet? Was waren die Überlegungen, die dazu geführt haben, ihr diesen Film zu empfehlen, mal abgesehen davon, dass sie hervorragend passt?

L.: Das eine war, dass Mina eben durch diese Rolle die Möglichkeit hatte, ein anderes Temperament, eine andere Facette zu zeigen – die sie bis dato nicht hatte. Sie konnte damit unter Beweis zu stellen, dass sie Vieles kann, gerade weil man nicht so genau zuordnen kann, welche Wurzeln sie ins sich hat. Ist sie jetzt Deutsche, ist sie Italienerin, ist sie Türkin – sie kann alles sein. Und das hat ja auch etwas mit ganz unterschiedlichen Temperamenten zu tun. Und bis dato hatte sie halt sehr viel deutsche Frauen gespielt. Und eher ernsthaftere Rollen oder vorher Teenie-Rollen. Sie hat ja sehr jung angefangen. Und das war so das erste Mal, dass sie wirklich eine ganz andere Temperamentfarbe zeigen konnte. Und dabei auch noch sehr schön aussehen durfte. Der Film hat ihr definitiv geholfen. Sie ist danach in einem etwas erwachseneren Umfeld gelandet, sie durfte in ihren Rollen mehr Frau sein, sexy, ja, einfach anspruchsvoller. Sie war nicht mehr immer nur das junge Mädchen, oder der Teenie. Doch, die Rollen, die danach kamen, sind definitiv anders, anspruchsvoller gewesen, als die davor.

Dann brauchst Du auch viel Phantasie für die Besetzung, oder?

T.: Ich würde das, glaube ich, eher Einfühlungsvermögen nennen. Wenn man Casting macht, muss man die Möglichkeit haben, irgendwo im Kopf oder im Herzen oder so von dem Drehbuch, von der Geschichte her, die man liest, zu dem Menschen, der das spielt, die Brücke zu schlagen. Oder andersherum. Dass ich ganz oft zum Beispiel auch in einer Situation bin, dass ich sage: ‚Ich weiß, dass der Schauspieler das spielen kann.‘ Ich kann es aber jetzt nicht beweisen, weil er es nicht auf seinem Band hat oder so.

L.: Mmh, großes Thema, ja.

T.: Und dann muss man natürlich auch die Fähigkeit haben, die anderen, den Produzenten, den Regisseur davon zu überzeugen, dass der Schauspieler diese Rolle spielen kann. Das müssen sie einem auch irgendwann glauben. Und das hat bei mir lange gedauert. Aber das ist eben das, was man als Caster natürlich können muss. Ich habe, als ich vor zehn Jahren angefangen habe, ziemlich schnell viel arbeiten können. Also das lief super, aber ich habe dann auch oft gedacht: ‚Naja, warum habt ihr mich jetzt eigentlich engagiert? Eigentlich glaubt ihr mir ja gar nicht. Es ist zwar irgendwie toll, dass ich das Casting machen kann, aber wenn ihr mir gar nicht glaubt, was ich sage, was soll das dann?’ Und das hat sich jetzt natürlich über die lange Zeit und die Erfahrung, und über das was ich gemacht, total geändert. Ich bekommen jetzt das Vertrauen von den Produktionen oder Regisseuren, dass sie mir das glauben, wenn ich sage, ich weiß, dass der das spielen kann. Dass ist schon ein bisschen einfacher geworden.

L.: Also ich finde, dieser Punkt verbindet Agenten und Caster total. Eben zu wissen, der oder die kann das hundertprozentig. Wenn man mit jemandem zehn, fünfzehn Jahre zusammen arbeitet und sozusagen gemeinsam aufwächst, dann weißt du das ja immer mehr, weil du die Prozesse, die Veränderungen ja mitbekommst. Und du liest ein Buch und weißt genau, es passt! Und dann mit einem Caster am gleichen Strang zu ziehen und den Rest der Welt davon zu überzeugen und dann funktioniert es, das ist einfach toll!

Im Grunde seid Ihr beide sozusagen die Anwälte der Schauspieler.

Beide: Ja! Definitiv.

T.: Ich glaube, dass beim Beruf des Casters auch wichtig ist, dass er weiß, wo ein Schauspieler gerade steht, das ist eigentlich das Essentielle. Denn es gibt manchmal so Situationen, das habe ich auch gerade wieder gehabt bei einem Film, wo dann der Regisseur sagt: ‚Ach ja, wir nehmen den und den.‘ Und ich wusste schon, dass der Schauspieler diese Rolle nicht spielen wollte. Sie würden zwar vielleicht irgendwie passen, aber ich wusste, der Schauspieler ist gerade in seinem Leben in einer Phase, wo er so etwas nicht spielen will. Und dafür gibt es mich ja eigentlich, dass ich sagen kann: ‚Ja, das ist zwar eine ganz gute Idee, der würde dir das schon irgendwie spielen. Aber der hat jetzt die letzten fünf Kinofilme immer so eine Rolle gespielt, der wird jetzt nicht schon wieder diese Rolle spielen, vor allem wenn sie auch noch kleiner ist als vorher. Er wird nicht das gleiche Rollenklischee wieder bedienen wollen. Er wird es dir nicht spielen.‘ Das ist, finde ich ist ein ganz wichtiger Teil von Casting. Und natürlich auch immer wieder ein wichtiger Teil der Zusammenarbeit zwischen einem Agenten und einem Caster, dass darüber spricht: Wo steht der Schauspieler? Was möchte er? Wo will er hin? Und ich denke zum Beispiel auch manchmal, nee, das möchte ich dem Schauspieler jetzt nicht anbieten, weil ich finde es jetzt nicht richtig für ihn. Oder ich finde es eine Beleidigung, wenn ich jetzt einer Dame, die 70 ist, eine Rolle anbiete von einer 85-Jährigen oder so etwas. Das möchte ich dann eigentlich nicht machen. Und das hat ja eben damit ganz viel zu tun, dass man auch wirklich darüber Bescheid weiß, wo ein Schauspieler einfach in seiner Entwicklung steht. Das erfahre ich natürlich einmal über die Schauspieler direkt, aber natürlich besonders von den Agenten. Und da sind diese Gespräche mit den Agenten und Agentinnen, die da offen sind und die auch ihre Schauspieler kennen und wirklich etwas wissen von ihren Schauspielern – was eben nicht immer der Fall ist –, ganz wichtig.

L.: Das mache ich genauso. Wenn ich einen Schauspieler habe, der, wie Du gerade gesagt hast, fünf Mal die gleiche Rolle gespielt hat oder ähnliche Rollen, da sage ich irgendwann auch, nee, das möchte ich dem gar nicht mehr anbieten. Denn dann kommt auch dieser Moment, wo der sagt: ‚Fällt denen gar nichts anderes mehr zu mir ein? Können die sich nicht vorstellen, dass ich nicht nur den Schwerverbrecher, sondern auch mal den Liebhaber spielen kann?‘ Also wo du auch als Agent wissen musst, so jetzt ist Schluss, denn das geht jetzt an die Schmerzgrenze. Und da musst du deinen Schauspieler auch schützen. Natürlich, es gibt immer ein schlagendes Argument und natürlich weiß ich, wo meine Schauspieler stehen, auch finanziell. Wenn z.B. eine Familie im Hintergrund ist und das Jahr war ein wenig mager, dann würde ich mir sehr selten erlauben, das im Vornherein abzusagen, ohne mit dem Schauspieler vorher darüber gesprochen zu haben. Denn bei aller Berufung, ist es eben auch ein Beruf, mit dem man Geld verdient. Und ich bin nicht diejenige, die dann sagt, das machst du jetzt nicht, trink weiter Wasser und iss trocken Brot. Aber ich schätze es, wenn ich das Gefühl habe ein Caster hat da die gleichen Zweifel wie ich, einer oder eine, die einfach auch meine Schauspieler kennt und versteht.

Ist es für einen Schauspieler nützlich in einem bestimmten Rollenfach Fuß zu fassen, sich dadurch für einen Typus Kontur zu verleihen?

T.: Ich bin sehr von diesem amerikanischen Prinzip der Archetypen überzeugt, dass jeder Mensch, der in den Raum reinkommt, etwas Bestimmtes mitbringt, auf dass sich alle einigen würden. Also man hat 100.000 Eindrücke von einem Menschen und es gibt bestimmt drei bis fünf Begriffe, wo alle sagen würden: ‚Ja, das stimmt für diesen Menschen‘. Und ich glaube, dass das sehr klug ist, wenn man als Schauspieler diesen Grundarchetypus von sich selbst kennt und auch guckt, dass man das in den Rollen, die man spielt auch bedient. Wie oft kann man sich die Rollen aussuchen? Wie oft wird man einfach nur angefragt und kann sich die Rollen nicht aussuchen? Aber dass man etwas Bestimmtes bedient, finde ich schon auch sehr richtig und wichtig. Und ich glaube auch – das sieht man ja auch an Filmen von prominenten deutschen Schauspielern – also jetzt zum Beispiel Til Schweiger, sage ich mal, der in seinen Filmen sehr, sehr erfolgreich ist mit einem bestimmten Typ, der ist immer ähnlich. Er ist der charmante, gut aussehende Tunichtgut, der etwas besser machen soll. Und das funktioniert. Aber in dem Moment, wo er etwas ganz anderes spielt, also gar nicht diesen Archetypus bedient, würde es vermutlich nicht funktionieren. Und ich glaube, bei Kino ist das ganz, ganz wichtig! Das wird immer deutlicher an den Besucherzahlen, wenn gesagt wird: ‚Warum ist denn der Film jetzt nicht gelaufen, waren doch fünf prominente Schauspieler drin?‘. Ich glaube, dass das eigentlich immer falsch gedacht ist. Denn natürlich ist es gut, einen Namen zu haben, für den die Leute ins Kino gehen. Aber davon gibt es vielleicht fünf Schauspieler in Deutschland.
Ich glaube daran, dass ein Film funktioniert, wenn man bestimmte Dinge bedient. Die kann man ja mit prominenten Schauspielern genauso gut bedienen, wie mit nicht so prominenten. Aber man muss die Figuren bedienen! Und das ist viel, viel entscheidender, als irgendeinen Namen draufzusetzen, der nicht stimmt.

An Euch beide gerichtet. Wie schädlich ist Überpräsenz eines Schauspielers? Muss man das vermeiden?

L.: Ich denke schon, ja. Beispiele gibt es ja auch genügend. Bei dem Einen dauert es länger, bei dem Anderen weniger, geht es schneller. Wenn der Zuschauer irgendwann ein Gesicht nicht mehr sehen kann. Ja, da muss man sehr drauf achten. Und der Schauspieler selber achtet nicht so sehr darauf, eigentlich gar nicht. Der will spielen! Ein Schauspieler ist wie ein Instrument. Das heißt, wenn er nicht täglich über kann und sich mit sich beschäftigen kann, im Training bleibt, tut er sich schwer damit. Und alleine die Vorstellung zu sagen, ,So wir machen jetzt mal ein Jahr Pause!’, sich nicht bewegen zu können, nicht zu üben, sich nicht auszudrücken, reiben zu können, ist eine grauenhafte für einen Schauspieler. Und das macht es natürlich sehr schwer, zu sagen, lass uns ein bisschen weniger machen. Vor allem auch deshalb, da es ja schwierig ist, in Deutschland von Kinofilmen zu leben. Weil die meisten sind low-budget. Ergo heißt das, du musst auch Fernsehen machen. Das heißt also, du bedienst zwei verschiedene Plattformen und hast dann manchmal das Pech, dass du in zwei Kinofilmen auftauchst und noch drei, vier Fernsehfilme, weil die schneller gehen, und dann hast du ganz schnell diese Überpräsenz. Und wo die Leute dann irgendwann sagen, nee, jetzt reicht’s!

T.: Das geht wirklich viel schneller, als man denkt. Und das ist dann richtig erschreckend. Also wenn ein Schauspieler drei Mal am Sonntag an verschiedenen Orten im „Tatort“ mitgespielt hat jetzt im Fernsehen.

L.: Bei den ganzen Wiederholungen, die gerade vom „Tatort“ ausgestrahlt werden…

T.: Dann ist der weg! Dann sagt man, ah nee, den habe ich zu oft gesehen. Das gibt es wirklich oft. Da muss man gut aufpassen als Schauspieler.

L.: Auch als Agent hat man oft überhaupt keine Kontrolle darüber. Du hast Wiederholungen und die Programmierung der TV-Sender. Mir ist es schon passiert mit einem Schauspieler, der hatte an einem Tag drei verschiedenen Ausstrahlungen. Das eine war fünf Jahre alt, das andere war vom letzten Jahr. Du hast es ja nicht unter Kontrolle. Und das kann sehr, sehr schnell gehen. Wir sehen ja immer wieder, wie plötzlich ein Schauspieler gar nicht mehr da ist. Hat irgendwie bis vor einem halben Jahr noch wirklich massiv gedreht und plötzlich entsteht eine ein-, zweijährige Pause.

T.: Es ist herrscht ja so eine grundsätzliche Schizophrenie, dass immer alle neue Entdeckungen machen wollen – das ist ein Toller, den kennt man jetzt noch gar nicht – aber auf der anderen Seite sich immer nur trauen, Gesichter zu nehmen, die man schon mal gesehen hat. Das heißt, einer muss den Mut haben, einen unbekannten Schauspieler als erster zu besetzen. Dann freuen sich alle und stürzen sich drauf. Und dann ist der verbrannt und dann ist der wieder weg. Und das ist echt bitter.

Ihr habt beide von Vertrauen gesprochen, das Euer Verhältnis oder das Verhältnis Eurer beiden Berufe bestimmen soll. Wie wichtig ist sozusagen das Zueinanderpassen? Und wie wichtig ist im Gegenzug die Unabhängigkeit voneinander?

L.: Diese Unabhängigkeit … gibt es nicht. [Lacht.] Wir sind abhängig voneinander. Oder?

T.: Ja. Wir sind total abhängig voneinander. Aber ich rufe ja nicht nur Andrea an, sondern auch noch 20 andere Agenturen und wir sind alle voneinander abhängig. Denn wenn der Eine blockt, kann der Andere auch nichts machen, so ungefähr. Wir sind die Ermöglicher und Anwälte der Schauspieler und Produzenten oder Regisseure, aber letztendlich entscheidet natürlich der Schauspieler, ob er etwas spielen will, oder nicht. Und auf der Seite der Produzenten entscheide natürlich letztendlich nicht ich, ob der Schauspieler das spielt, sondern der Redakteur, der Regisseur und der Produzent.

L.: Ich finde es schon besonders, denn das ist sehr selten, wenn ich als Agentin die Möglichkeit habe das Drehbuch vorab lesen zu können und sagen zu können: ‚Wow! Da ist eine Rolle, die kann ich zu 100% mit einem aus meinem Ensemble bestücken. Eigentlich gibt es niemanden, der das sonst spielen könnte.‘ Von dieser Idee – und ich denke, das ist für Daniela auch nicht anders – musst du mittlerweile, ich weiß ich nicht, zehn Leute überzeugen. Früher war das anders. Da hast du dem Regisseur Bilder von Schauspielern hingelegt – also so kenne ich das noch – und dann hat er das entschieden! Und heute musst du dich auf jeden einzeln einstellen. Also der eine Regisseur will so überzeugt werden, der andere Produzent dann wieder anders. Also das ist… ja, schon eine große Herausforderung. Und wenn man bei diesem Findungsprozess als Caster und Agent an einem Strang zieht, ist es ein bisschen leichter.

Erzählt doch bitte noch, wie genau Euer Ablauf bei einer Produktion aussieht. 

T.: Für das Casting bekomme ich das Drehbuch von der Produktionsfirma, mit der Bitte eine Besetzung zu finden. Die Produktionsfirma beauftragt mich, die ist quasi mein Arbeitgeber. Dann lese ich das Drehbuch und überlege, wen ich mir vorstellen könnte. Natürlich mit den Kriterien, welcher Sender ist das, oder wird das ein Kinofilm? Welches Zielpublikum haben wir, für wen ist dieser Film? Ist es ein Kinderfilm, ist es einer für Jugendliche? Wer gefällt diesem Zielpublikum, welche Schauspieler mögen die? Was müssen diese Schauspieler bedienen? Ist es eine Komödie, eine Tragödie? Also das sind diese ganzen Kriterien, die ich natürlich bedenke, wenn ich Schauspieler vorschlage. Sind sie prominent genug, dass der Verleih glücklich ist oder der Redakteur glücklich ist? Und sind sie in der Lage, so eine große Rolle zu spielen? Das muss ich also alles berücksichtigen. Dann mache ich Vorschläge, die ich als erstes mit dem Regisseur bespreche. Dann kommt der Produzent hinzu und dann der Verleih. Das sind sehr, sehr viele Entscheidungsgremien sozusagen. Mein tägliches Geschäft findet aber mit den Agenturen statt, also mit den Agenten der Schauspieler, die ich anfrage. Genau. Mehr mache ich eigentlich nicht, oder?

L.: Naja, es kann sich ja dann manchmal über anderthalb Jahre strecken. [Lachen]

T.: Ja, das stimmt. Der Prozess bei einem Kinofilm kann wirklich gut anderthalb Jahre andauern. Man beginnt mit den Hauptrollen, die man castet und festlegt. Um die Chancen für die Förderung zu erhöhen, versucht man bekannte Schauspieler zu bekommen. Also dass man den Hauptfiguren schon Gesichter gibt, um zu erreichen, dass man Geld bekommt von den Filmförderanstalten. Zu diesem Zeitpunkt hat man ja ganz oft noch gar nicht die Garantie, dass der Film überhaupt jemals gemacht wird, weil das Geld noch gar nicht da ist. Und erst dann, wenn der Film finanziert wird, sucht man für die ganzen kleineren Rollen oder die Nebenfiguren Schauspieler.

L.: Und dann müssen die Caster die Agenten bei Laune halten, damit die wiederum die Schauspieler bei Laune halten.

T.: Genau, die Agenten bei Laune halten, das ist ganz wichtig. [lacht Immer wieder anrufen und Kontakt halten. Schauspieler finden, läuft bei mir ganz viel darüber, dass ich ganz viel ins Theater gehe, im Fernsehen und im Kino in erster Linie deutsche Sachen anschaue. Ich bin da auch ganz frei in den Formaten. Für mich ist es auch kein Problem, wenn jemand in einer Telenovela spielt. Und wenn ich sage, der ist echt ganz toll, den finde ich total spannend für diese Rolle im Kino, dann habe ich keine Angst, den auch fürs Kino dafür vorzuschlagen.

L.: Und das macht wiederum eine gute Casterin aus! [Lachen]

Wie kommt eine Agentin zu Schauspielern? Wie kommen die zusammen?

L.: Also ich glaube, die normalen Wege sind wahrscheinlich, ins Theater zu gehen, Schauspieler anzusprechen, sich die Vorsprechen anzugucken und auf Festivals zu gehen. Ist aber ehrlicher Weise nicht meins. Ich bin da fast esoterisch angehaucht – was ich nicht bin –, aber ich glaube an Begegnungen. Und das ist wie eine Liebesbeziehung. Man begegnet sich und irgendwie merkt man, da ist etwas. Ich nehme mir da auch sehr viel Zeit, um herauszufinden wie mein Gegenüber tickt, sozusagen bevor man diese Ehe eingeht. Ist da ein gleicher Herzschlag? Kann ich ihm oder ihr vertrauen, kann der mir vertrauen? Kann ich mich in diese Person verlieben? Irgendwie muss ich sie ja oder möchte ich sie – verkaufen! Das klingt sehr unsexy, ich weiß. Aber darum geht es ja. Und das heißt, ich muss ein Fass von Phantasie sein. Immer wieder. Dass ich mir das so vorstellen kann. Und das kann ich nur, wenn ich jemanden mag, eine Idee zu der Person habe. Denn Schauspieler sind sehr fragil und haben auch so ihre Tiefen. Und dafür auch die Nerven, die Geduld zu haben, das aufzufangen, sich das anzuhören und da einen aus dieser Sackgasse rauszuholen –da muss ganz viel Empathie dabei sein, sonst geht das nicht. Das ist also das für mich Wichtigste! Und dann kommt eigentlich erst das Talent. Ehrlicher Weise. Also wenn das Erste stimmt, dann ist natürlich entscheidend, was kann der oder die? Kann ich mir das vorstellen, kann ich das an den Mann oder an die Frau bringen? Und diese Begegnungen haben an den unglaublichsten Stellen stattgefunden. [Lacht.] Also einen Schauspieler selber angesprochen – lehne ich ab. Finde ich für mich persönlich ganz gruselig. Also ja, es sind Begegnungen. Dann entscheidet man sich füreinander und geht hoffentlich eine lange Ehe ein – die jetzt teilweise schon 15 Jahre dauert!

Was zeichnet eine gute Casterin aus?

T.: Eine gute Casterin zeichnet aus, dass sie sich zurücknehmen kann, dass sie viel Phantasie hat. Viel diplomatisches Geschick – das ist, glaube ich, fast das Wichtigste! [Lange Pause und Zustimmung von Lambsdorff] Und sehr, sehr viel Liebe für Schauspieler.

L.: Da kann ich fast gar nichts mehr hinzufügen. Sehr viel Liebe und natürlich auch offen zu sein, das hatten wir vorhin ja schon. Vertrauen zu den Beteiligten zu haben und zuzuhören. Und das bedeutet dann auch wieder, sich zurückzunehmen und sich nicht ganz selber so wichtig zu nehmen.

Jetzt drehen wir es um. Was macht eine gute Schauspiel-Agentin aus?

L.: Auch, sich nicht so wichtig zu nehmen, also wirklich, denke ich, der Strippenzieher im Hintergrund zu sein. Auch eine große Liebe eben für Schauspieler zu haben. Eine Begeisterung für diesen Menschen in erster Linie, dann für dieses Talent, was der Einzelne mitbringt. Auch sicherlich Phantasie zu haben, wo sich die eine oder andere Karriere hin entwickeln kann. Könnte. Gute Kontakte! Glaube ich, ganz wichtig. [Lacht.]

T.: Für mich macht eine gute Agentin aus, dass sie klug vermittelt zwischen den Schauspielern und den jeweiligen anderen Seiten sozusagen. Also dass sie da den richtigen Ton findet. Weil die Schauspieler sehr oft gar nicht wissen, wie sie präsentiert werden. Ich spreche als Casterin ja nur mit dem Agenten. Und wenn der mir sagt ‚Der hat keine Lust, das zu spielen.‘, dann bin ich sauer auf den Schauspieler und nicht auf den Agenten. Das wissen die Schauspieler oft gar nicht, was sie da für ein Sprachrohr haben. Das macht einen guten Agenten aus, finde ich, dass sie das richtig moderiert. Und dann macht eine gute Agentin – vor allem die Agentin, die neben mir sitzt – aus, dass sie alles ermöglicht, um dem Schauspieler die Chance zu geben, dass er eine Rolle bekommt. Also dass sie sagt: ‚Du fährst jetzt da hin zu dem Casting, das zahlen wir selber, aber du musst da unbedingt erscheinen.‘ oder ‚Wir filmen das jetzt nochmal.‘ Und dass sie einfach kämpft und dran bleibt und dafür sorgt, dass das irgendwie klappt. Und gute Kontakte sind natürlich auch sehr wichtig …

Welcher Zugang, welche Ausbildung ist empfehlenswert für Eure Berufe?

L.: Bauchgefühl. Und Herz und Verstand. That’s it, nach meiner Meinung.

T.: Ja, … also bei Casting. Es gibt wenige gute sehr junge Caster. Ich kenne ein, zwei, die richtig gut sind, die haben sehr früh angefangen. Aber sonst habe ich eigentlich das Gefühl, dass viel Lebenserfahrung zu dem Beruf  Caster gehört und die Fähigkeit, einen Menschen in seinen verschiedenen Facetten sehen zu können. Und das ist meistens dann ja doch erst, wenn man so Ende 20, 30 ist. Also ich würde sagen, es ist kein Lehrberuf mit 16 Jahren. Aber es gibt natürlich Ausnahmen.

L.: Da muss ich Dir Recht geben. Die Lebenserfahrung ist ganz wichtig. Du kannst ja nicht, wenn du 20 bist, einem 50-jährigen Schauspieler irgendwie überzeugend sagen, das musst du jetzt so oder so machen. Nee, da hast Du Recht!

Wer ist für Euch neben dem Regisseur der wichtigste Partner im Team in der Arbeit? Bei Euch ist es ein bisschen schwierig zu beantworten, weil der Agent so ein bisschen ein Satellit darstellt, oder?

T.: Nö, das ist nicht schwierig! Für mich, für Casting ist der Produzent extrem wichtig. Genauso wichtig ist aber auch der Regisseur, der ist meine Nummer 1, ist mein Leitfaden sozusagen.

L.: Wenn es darum geht, die Rolle zu besetzten, ist natürlich erstmal der Produzent für mich als Agentin wichtig. Der gilt am allermeisten überzeugt zu werden. Weil der Regisseur und die Casterin würden ja nicht zu mir kommen, wenn sie sich da nicht schon irgendwie geeinigt hätten. Im nächsten Schritt muss also der Produzent oder der Sender überzeugt werden. Hast du einen sehr jungen Schauspieler, der noch nicht so viel Erfahrung hat, dann ist der Regisseur für mich auch sehr wichtig, insbesondere wenn es Probleme gibt. Ich erlaube mir, wenn ich merke, dass der Schauspieler schwimmt oder unsicher ist, den Regisseur anzusprechen und zu fragen, ob es nicht mal ein Gespräch geben könnte? Wenn alles gut läuft, dann ist mein vorwiegender Gesprächspartner der Produktionsleiter. Das ist, sagen wir mal, die Norm.

T.: Ja, das stimmt mit denen haben ich auch viel zu tun.

Habt Ihr ein Vorbild in Eurem jeweiligen Beruf?

L.: Nee, kein richtiges Vorbild... . Das Einzige, was für mich mal… – aber den kannte ich jetzt nicht, sondern einfach nur die Tatsache – also ich war mal in Amerika mit einer Schauspielerin von mir und wir trafen uns mit einer Casterin. Und die Casterin kam gerade von einer Beerdigung von einem Agenten von einem sehr, sehr berühmten Schauspieler und die sagte nur: ‚Die haben 45 Jahre zusammen gearbeitet.‘ Und die Schauspielerin und ich schauten uns an und sagten: ‚Ja, das wollen wir auch.‘ Und das war so ein Ansporn, aber jetzt kein Vorbild. [Lacht.]

T.: Das letzte Mal, wo ich so richtig voller Bewunderung war, war für meine liebe Kollegin Frau Braker für den BAADER MEINHOF KOMPLEX. Also, wo man sagen kann: ‚Ja, okay, sind alles die üblichen Schauspieler, alle bekannt und so.‘ Aber das stimmt nicht. Denn wenn man den ganzen Film anschaut und dann auch sieht, wie diese zweite Generation Terroristen so anders ist und wie sie das in der Besetzung umgesetzt hat, das fand ich großartig. Dafür habe ich sie sehr bewundert für diese Arbeit. Weil ich das auch mitgekriegt habe, das war wirklich eine Arbeit über anderthalb Jahre. Das hat sie wirklich ganz groß gemacht, finde ich.

Was ist Kino?

L.: Was ist Kino? Gute Frage.

T.: Ich sitze oft im Kino, bevor es anfängt, und denke, ist das nicht wunderschön, dass die Leute auch in unserer Zeit immer noch acht Euro bezahlen oder zehn oder zwölf, um sich in einen Sessel zu setzen, auf eine Leinwand zu schauen und einfach in eine andere Welt geholt zu werden?! Das ist für mich Kino! Dass es nicht vergeht, dass die Menschen Geschichten erzählt bekommen wollen.

L.: Ich erinnere mich gut, als ich ein kleines Kind war und das erste Mal diesen Löwen gesehen habe, MGM. Und diese Aufregung – da kommt jetzt etwas ganz Besonderes. Und die hat auch über Jahre gehalten. Immer, wenn ich diesen Löwen gesehen habe, war ich wie angezündet. Und mit diesem Gefühl gehe ich immer noch ins Kino. Es ist immer wieder die Sehnsucht danach, in die jeweilige Geschichte eintauchen zu können, mitzugehen oder mitzufliegen oder mitzureisen, was auch immer dieser Film gerade betrifft. Und dieses immer noch ein bisschen feuchte Hände kriegen und aufgeregt sein. Ja, Träumereien. Sehnsucht. Alles. Nach wie vor. [Lacht.]

Wenn es nicht dieser Beruf wäre, den Ihr jeweils ausübt, welcher andere Filmberuf wäre für Euch denkbar?

T.: Also ich könnte schon mal ganz klar sagen, dass ich niemals Agentin sein möchte. [Lambsdorff lacht.] Niemals. Weil ich niemals irgendwelche Verträge verhandeln könnte oder Wohnwagen für Schauspieler, die sich das wünschen, aber eigentlich noch nicht verdient haben. Schrecklich!

L.: Mach ich gar nicht! [Lacht noch immer.]

T.: Ich denke dann oft mal, Redakteur zum Beispiel. Finde ich spannend.

L.: Na, ich hätte ja nie gedacht, dass ich mal Agentin werden würde. Das war ein reiner Zufall. Weiß nicht, ich habe immer schon mit Film zu tun gehabt. Keine Ahnung. Ich habe nie eine andere Sehnsucht gehabt. Ich glaube, es ist ja immer wieder… Redakteur weiß ich nicht. Ja klar, um vielleicht… weil man ja immer denkt, man könnte es besser machen. Und manche Dinge man ja so idiotisch findet oder nicht richtig oder das nicht verstehen kann und… Doch ja, vielleicht auch. Um einfach am Ende des Tages leider feststellen zu müssen, man könnte es nicht besser machen oder: Doch, ach ja, siehst du, es geht doch! 

Das Gespräch führte Gerhard Midding. 

 

Die Casterin und die Agentin

Die Münchnerin Daniela Tolkien ist eine der erfahrensten und einfallsreichten Casterinnen Deutschlands. Sie ist für die Besetzung von Filmen wie VERGISS AMERIKA und Folgen der VORSTADTKROKODILE-, DIE WILDEN KERLE-, und WICKIE-Erfolgsserien verantwortlich. Auch im Fernsehen ist sie tätig, für Serien wie DOCTOR`S DIARY, UNTER VERDACHT und nicht zuletzt viele „Tatort“-Folgen.

Andrea Lambsdorff leitet zusammen mit Herbert Krätschel die Agentur „ContrAct“, zu deren Klienten prominente Schauspieler wie Hannah Herzsprung, Paula Beer Tobias Moretti, Anneke Kim Sarnau und Mina Tander zählen

 

In Kooperation mit filmportal.de

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